Grauer Saisonstart in Dortmund: Die Brennpunkte beim BVB
Eigentlich wollte Borussia Dortmund mit großer Entschlossenheit und neuem Schwung in die neue Bundesliga-Saison starten. Das vermeintlich leichte Auftaktprogramm gegen den 1. FC Köln (H), den VfL Bochum (A) sowie den 1. FC Heidenheim (H) vor der ersten Länderspielpause gab diese Ambition allemal her. Doch noch vor dem 3. Spieltag am Freitagabend (ab 20:30 Uhr) haben sich die Vorzeichen beim BVB längst geändert: Es droht die erste Krise der jungen Saison.
Vier Punkte aus zwei Spielen sowie der sechste Tabellenplatz nach dem 1:0 gegen Köln und dem 1:1 gegen den VfL Bochum lesen sich noch einigermaßen anständig.
Abgesehen von den Resultaten gab es von den ersten beiden Bundesliga-Auftritten des Vizemeisters aber nicht allzu viel Positives zu vermelden.
Fehlender Rhythmus, fehlende Ideen, fehlende Alternativen: Die Liste der derzeitigen Brennpunkte beim BVB ist länger als erwartet.
Dem BVB fehlt die klare Spielidee
Das wohl drängendste Problem findet bei Schwarz-Gelb aktuell im taktischen Bereich statt. Knapp 61 Prozent Ballbesitz gegen den VfL Bochum, eine Woche zuvor gegen den 1. FC Köln waren es sogar 63 Prozent.
Was der BVB aus diesen vielen Ballbesitz-Phasen dann aber entwickelt hat, war schlichtweg mau. Zum Auftakt gegen die Kölner schoben sich die Dortmunder das Spielgerät über viele Stationen in der eigenen Hälfe zu, Innenverteidiger Mats Hummels brachte es so auf rekordverdächtige 164 Ballkontakte.
Die kreativen Momente bleiben aber oftmals aus. Mit Jude Bellingham fehlt der Taktgeber im Mittelfeld, der die Bälle ständig fordert und Situationen kreieren will. Auf den Außenbahnen fehlte außerdem häufig die Entschlossenheit, in die direkten Duelle zu gehen.
Besonders deutlich trat das Missverhältnis aus Ballbesitz und Kreativspiel am letzten Samstag im Bochumer Ruhrstadion zutage, als es der gastgebende VfL fertig brachte, mit deutlich weniger Ballbesitz mehr als drei Mal so viele Abschlüsse zu generieren. Am Ende zählten die Statistiker 26:7 Abschlüsse für Bochum.
Zu viele BVB-Stars ohne Rhythmus
Als mögliche Hauptursache für das unausgewogene Offensivspiel der Borussia nannten die Verantwortlichen um Sportdirektor Sebastian Kehl und Cheftrainer Edin Terzic zuletzt mehrfach den fehlenden Rhythmus.
Nach dem bitteren letzten Saisonfinale Ende Mai, als der BVB mit dem 2:2 gegen Mainz 05 noch die sicher geglaubte Meisterschaft verspielte, ging es nach wenigen Wochen Sommerpause und der ersten Vorbereitungsphase auf die elftägige USA-Reise.
Der Trip in die Vereinigten Staaten zahlte sich vor allem wirtschaftlich aus für den Verein, der vor Ort in San Diego, Las Vegas und Chicago vor allem die Werbetrommel in eigener Sache rührte.
Sportlich kam die Mannschaft dabei allerdings nicht wirklich weiter. Häufig wechselnde Trainingsfelder, lange Flugzeiten, große Hitze und der enge Terminplan setzten den Dortmunder Stars ordentlich zu, gleich mehrere Stammspieler wie Nico Schlotterbeck und Karim Adeyemi kehrten mit Verletzungen zurück. Weitere fanden bei weitem noch nicht an ihre Form der letzten Rückrunde zurück, allen voran der neue Spielführer Emre Can oder Mittelstürmer Sebastien Haller.
Statt sich schon während der US-Tour bestmöglich auf den Ernstfall vorzubereiten, beklagte auch BVB-Manager Kehl schon öffentlich: "Wir haben Spieler, die jetzt noch nicht so lange dabei waren, Spieler waren verletzungsbedingt raus. Wir versuchen, Rhythmus zu finden, um uns auch einzuspielen."
Allerspätestens nach der Länderspielpause gilt dieses Argument nicht mehr, wenn am 16. September das Auswärtsspiel beim SC Freiburg bevorsteht.
Thema Marco Reus schwebt über der Mannschaft
In der Vorbereitung zählte Marco Reus noch zu den Aktivposten im Team. Der Ur-Dortmunder spulte einen Testspiel-Sommer ohne große Verletzungssorgen ab, unterstrich bei vielen Gelegenheiten seine Ambitionen, noch einmal auf Top-Level im BVB-Trikot spielen zu wollen.
In Bochum war davon nichts mehr übrig: Zum erst fünften Mal in seiner 14-jährigen Profi-Karriere schmorte der Ex-Kapitän des BVB über die vollen 90 Minuten auf der Ersatzbank. Der Stammplatz ist sowieso futsch, aber auch einen belebenden Joker-Einsatz traute ihm Edin Terzic in Bochum nicht mehr zu.
Das Thema Marco Reus wird den BVB über die nächsten Wochen und Monate beschäftigen. Unabhängig davon, in welche Richtung sich seine Leistungen entwickeln werden. Noch schweigt der 34-Jährige zur ungewohnten Dauerreservisten-Rolle. Spätestens bei den ersten Niederlagen könnte die Personalie aber noch zu einem echten Pulverfass werden.
Rächt sich der Transferstau beim BVB?
Während die direkte Konkurrenz aus der Bundesliga - angefangen beim FC Bayern über RB Leipzig und Bayer Leverkusen - sich entweder sehr prominent oder sehr kreativ verstärkte, deren Neuausrichtungen im Kader allesamt schon Früchte trugen, befindet sich der BVB auch drei Tage vor dem Deadline Day noch im Transferstau.
Noch immer fehlt ein vierter Innenverteidiger im Kader, ebenso eine (offensivere) Alternative für die rechte Abwehrseite. Von einem Mittelstürmer-Backup für Sebastien Haller ganz zu schweigen.
Sportdirektor und Chef-Kaderplaner Sebastian Kehl wollte mit seiner konservativen Herangehensweise an den Transfersommer Vertrauen in das vorhandene Personal demonstrieren. Felix Nmecha, Marcel Sabitzer und der ablösefreie Ramy Bensebaini blieben bis dato die einzigen externen Neuzugänge.
Rund um den Klub wird aber längst immer lauter darüber diskutiert, ob die Schwarz-Gelben die eine oder andere Personalie nicht schlichtweg verschlafen haben.
Mats-Yannick Roth