Warum bekommt Sven Ulreich keine Chance?
Neben der Stürmersuche sorgt auch die noch offene Torwartfrage beim FC Bayern derzeit für Gesprächsstoff. Wer soll Manuel Neuer bis zu dessen Rückkehr ersetzen? Zahlreiche externe Namen geisterten bereits über den Äther, doch die naheliegendste (interne) Lösung namens Sven Ulreich war bislang kaum ein Thema. Warum eigentlich nicht?
Schon zum zweiten Mal in Folge muss sich Sven Ulreich in diesem Jahr zumindest ein kleines bisschen verschaukelt vorkommen. Bereits seit 2015 steht der Keeper - mit einjähriger Unterbrechung - jederzeit als verlässlicher Vertreter für Stammkraft Manuel Neuer parat, blieb dabei allzeit bescheiden im Hintergrund und stellte nie Ansprüche.
Doch als sich Neuer Ende letzten Jahres schwer verletzte, schlug etwas überraschend nicht etwa (erneut) die große Stunde Ulreichs. Stattdessen holte der FC Bayern Yann Sommer für mehr als acht Millionen Euro aus Gladbach, um in allen drei Wettbewerben bestens aufgestellt zu sein und kein Risiko einzugehen, so hieß es. Das Ende ist hinlänglich bekannt: Sommer überzeugte kaum, die Bayern wechselten zudem noch den Trainer und schieden hiernach aus Pokal und Champions League aus. Sommer steht mittlerweile vor dem Blitz-Absprung zu Inter Mailand.
Weil Neuer gleichzeitig weiterhin nicht voll einsatzfähig ist und bis mindestens Mitte September eine Übergangslösung her muss, die erst als Nummer eins agiert und sich danach wortlos in die zweite Reihe zurückzieht, könnte sich der Scheinwerfer nun doch aber auf Ulreich richten? Weit gefehlt. Laut übereinstimmenden Medienberichten bereiten die Verantwortlichen des FC Bayern eine externe Lösung in Form einer Verpflichtung vor.
Doch statt sich selbst lautstark ins Spiel zu bringen, reagierte Ulreich auf diesen Umstand mit gewohnter Zurückhaltung und zeigte Verständnis. "Wenn Yann Sommer gehen sollte, wäre ich alleine. Das wäre eine Situation, die der Verein so nicht lassen könnte, deswegen ist es schon auch richtig, dass man sich auf dem Transfermarkt umschaut", sagte er zuletzt in einer Medienrunde. Kampfansage? Fehlanzeige!
FC Bayern: Das spricht für Sven Ulreich als Neuer-Vertreter
Dabei hätte Ulreich eigentlich zahlreiche Argumente auf seiner Seite. Achtmal stand der 34-Jährige in der letzten Saison wettbewerbsübergreifend zwischen den Pfosten, jedes Mal ging der FC Bayern als Sieger vom Platz.
Lediglich zwei Gegentore kassierte Ulreich in seinen drei Champions-League-Einsätzen, zwei waren es in der Bundesliga, wo die Münchner jeweils klare Siege feierten.
Zudem bewies Ulreich bereits eine komplette Saison lang seine Tauglichkeit: Als Neuer das letzte Mal länger fehlte - mit einem Mittelfußbruch in 2017/18 - gingen lediglich zwei von 29 Bundesliga-Spielen mit Ulreich als Stammkraft verloren, eines davon im Freudenschwang am letzten Spieltag gegen den VfB Stuttgart (1:4). Ulreich könnte also eigentlich mit breiter Brust für sich werben.
Die Bayern-Verantwortlichen schätzen Ulreichs Leistungsfähigkeit aber offenbar anders ein und scheinen erneut Geld in die Hand nehmen zu wollen, um den Neuer-Ausfall zu kompensieren. Nach aktuellem Stand hat der marokkanische WM-Held Yassine "Bono" Bounou die besten Karten auf die Rolle als Kurzzeit-Nummer-eins. Die FCB-Bosse sollen bereits mit dem Routinier vom FC Sevilla gesprochen haben, der als Top-Kandidat gilt, falls Sommer wie erwartet geht.
Kampflos will sich Ulreich zwar nicht geschlagen geben, sollte "Bono" oder einer der anderen gehandelten Kandidaten kommen. Wer Neuer in den ersten Partien ersetzt, müsse "schlussendlich dann auf dem Platz entschieden werden und sollte nach Leistung entschieden werden", sagte er.
Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass die Münchner mehrere Millionen Euro in die Hand nehmen, um einen Keeper zu verpflichten, der dann nur die Nummer zwei und später sogar die Nummer drei wäre.
Noch gibt es allerdings viele Fragezeichen rund um die Torhüterposition bei den Münchnern. Allen voran, weil Sommer weiter Teil des Kaders und ein Verbleib nach "tz"-Infos nicht kategorisch ausgeschlossen ist.
Kein Wunder also, dass Ulreich bei einem Medientermin auf der Asien-Tour des deutschen Rekordmeister auf die Frage eines Bayern-Fans, wer Mitte August beim Bundesliga-Auftakt das Tor hüten werde, auf Ulreich-Art diplomatisch antwortete: "Einer unserer Torhüter." Manch anderer hätte vermutlich "Ich" gesagt.
Chris Rohdenburg