Pokal-Sensation? Das spricht für Arminia Bielefeld

Im Halbfinale des DFB-Pokals kommt es zum Duell der Gegensätze: Drittligist Arminia Bielefeld trifft auf der Alm auf Titelverteidiger Bayer Leverkusen. Ein Kinderspiel wird der Ausflug für das Starensemble um Cheftrainer Xabi Alonso allerdings nicht. Hier sind fünf (teils nicht ganz ernst gemeinte) Gründe für die nächste Pokalsensation.
Mitch Kniat, der Pokaltrainer
Seit Sommer 2023 hat Mitch Kniat das Cheftraineramt bei Arminia Bielefeld inne. Mit einer völlig neuformierten Mannschaft im vergangenen Jahr fast abgestiegen, formte der 39-Jährige aus einem bunt zusammengewürfelten Haufen einen Aufstiegsaspiranten und DFB-Pokal-Halbfinalisten. In der Kritik steht der ehemalige Innenverteidiger aber dennoch.
Zu uninspiriert, langsam und ausrechenbar sei das Bielefelder Offensivspiel in der Liga. Nach Niederlagen oder Unentschieden werden rund um die Schüco Arena stetig Stimmen laut, die sagen, dass die ballbesitzorientierte Kniat-Spielweise zwar nett anzuschauen sei, aber einfach nicht für den Aufstieg reiche.
Die (zum Großteil völlig überzogene Kritik) lässt der Chefcoach aber oftmals recht schnell wieder verstummen. Gerade, wenn das Flutlicht auf der Alm angeknipst wird, glänzt der Fußballehrer mit taktischer Raffinesse. Kniat schaffte es bislang, gegen jeden Pokal-Gegner mit einer neuen Taktik zu überraschen, stellte sein Team stets perfekt ein.
Neun der elf Pokaltore in dieser Saison schoss der Drittligist in der ersten Halbzeit. Ob Union Berlin, SC Freiburg oder Werder Bremen: Die Bundesligisten ließen sich von Kniats Masterplan immer wieder überrumpeln, fanden erst spät zu Lösungen - da lag die Arminia aber meist schon mit 2:0 vorne. Gegen den deutschen Meister muss sich Kniat diesmal wohl einen ganz besonders guten Plan einfallen lassen.
Der außergewöhnliche Arminia-Ansatz
Anders als viele Underdogs setzt Arminia Bielefeld nicht darauf, mit Mann und Maus das Tor zu verteidigen. Hohes Anlaufen, teilweise schon gegen Innenverteidiger, führte bereits mehrfach zum Erfolg. Beim Erstrundenspiel gegen Hannover 96 fiel durch einen Ballgewinn im gegnerischen Sechzehner das frühe 1:0.
Gegen Union Berlin und Werder Bremen nutzte der DSC ebenfalls hohe Ballgewinne, um schnell umzuschalten und per Traumtor die Alm zum Beben zu bringen. Das enorm intensive Mann-Gegen-Mann-Verteidigen über den ganzen Platz zog der Drittligist auch danach weiter durch, schaffte es so, die bisherigen Pokalgegner über weite Teile der Partie vom eigenen Tor wegzuhalten.
Natürlich musste die Arminia auch mal die eine oder andere Drangphase überstehen, über lange Zeit in die Bredouille geriet die sattelfeste DSC-Abwehr aber kaum einmal. Stattdessen setzte die Arminia gegen jeden Gegner immer wieder Nadelstiche per Konter, zeigte aber auch bei längeren Ballbesitzstaffeten, dass auch ein Drittligist mit der Murmel richtig gut umgehen kann.
"Mit dem Ball sind wir eine der besten Mannschaften in Deutschland", betonte Kniat bereits vor dem Viertelfinale gegen Bremen. Darauf wird es auch am Dienstagabend gegen Leverkusen ankommen. Mit dem Ball werden sich die Ostwestfalen kaum einen Fehler erlauben dürfen, bestraft der Deutsche Meister diese sonst für gewöhnlich konsequent.
Bielefelds personifizierter Pokal-Schreck
Dass ausgerechnet bei Pokalschreck Arminia Bielefeld ein Profi mit dem Namen Sam Schreck unter Vertrag steht, kann gewiss kein Zufall sein. Dass der einst bei Bayer Leverkusen als Supertalent gehandelte Mittelfeldspieler gerade dann richtig zu glänzen weiß, macht die Geschichte um den einstigen DFB-Junior nur noch verrückter.
In der Liga spielte der Achter gerade zu Beginn dieser Saison kaum eine Rolle, kam, wenn überhaupt, nur als Joker zum Einsatz. In der Startelf stand Schreck eigentlich nur dann, wenn es im DFB-Pokal zur Sache ging. In allen vier Partien der bisherigen Pokalsaison stand der 26-Jährige über 90 Minuten auf dem Platz. In 30 möglichen Ligaspielen war das nur fünfmal der Fall.
Unter Flutlicht jedoch ist Schreck der Schreck eines jeden Favoriten. In der Bielefelder Schaltzentrale läuft sich der Ex-Aue-Profi die Seele aus dem Leib, erobert Bälle durch sein aggressives Pressing oder stellt Passwege clever zu. Bielefelds Nummer acht ist sich für keinen Weg zu schade, gleicht so seine Defizite mit dem Ball und im Torabschluss wieder aus.
Fun Fact: Sollte auch Innenverteidiger Maximilian Großer in der Arminia-Startelf stehen, könnte Bielefeld ein Großer Schreck für den haushohen Favoriten werden.
Last-Minute-Arminia schlägt "Laterkusen"
Im Halbfinale treffen die zwei Mannschaften des deutschen Profifußballs aufeinander, die hintenheraus so richtig abliefern können. Im Pokal ist die Arminia eigentlich eher eine Mannschaft der 1. Halbzeit, in der Liga jedoch ist das laufstärkste Team der 3. Liga eine sichere Bank, wenn es um späte Tore geht.
Kein anderer Drittligist traf in der Schlussviertelstunde öfter als Bielefeld (25). Somit fielen mehr als 50 Prozent der Arminia-Saisontore in den letzten 15 Minuten. In einer Tabelle, die nur die Treffer in der Schlussviertelstunde berücksichtigt, würde der DSC mit 65 Punkten auf Rang eins liegen - der Vorsprung auf den Zweiten, Hansa Rostock: sagenhafte 21 Punkte.
Und das so gefürchtete "Laterkusen"? Würde mit nur 30 Punkten auf Rang zwölf der Schlussviertelstunden-Tabelle liegen. Klares statistisches Vorzeichen: Ist das Spiel in den Schlussminuten noch offen, wird der Außenseiter das Ding machen und nach Berlin fahren!
Arminias irre Pokalserie
Die letzte Bayer-Pokalniederlage nach 120 Minuten datiert aus dem August 2022. Damals verlor die Werkself gegen den frischgebackenen Drittligisten SV Elversberg in Runde eins mir 3:4. Zehn Spiele in Folge verließ der amtierende Titelverteidiger das Spielfeld im Pokal als Sieger - eine beeindruckende Serie, welche die Arminia natürlich aber überbieten kann (wenn man den Westfalenpokal dazu zählt).
Im Verbandspokal ist die Arminia schließlich das Maß der Dinge. Bei den letzten drei von vier Teilnahmen gewann man den Pott. Auch jetzt stehen die Bielefelder wieder im Finale. Somit ist der DSC der einzige Profiklub Deutschlands, der noch auf drei Hochzeiten gleichzeitig tanzt.
Die letzte DFB-Pokalniederlage nach Verlängerung der Ostwestfalen setzte es beim 0:6 in Stuttgart im Oktober 2022. In der vergangenen Spielzeit scheiterte man erst in der 2. Runde im Elfmeterschießen am Hamburger SV, nachdem in Runde eins der VfL Bochum vom Punkt nach Hause geschickt wurde.
In DFB- und Westfalenpokal blieb der DSC somit in 17 Partien in Folge aus dem Spiel heraus ungeschlagen. Eine Serie, die auch Bayer Leverkusen erst einmal durchbrechen muss.