Ruanda als neues "Sport-Wunderland"?
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Ruanda drängt mit Millionen-Investments in den Weltsport. Kritiker sehen darin klassisches "Sportswashing".
Gianni Infantino und die FIFA-Granden tagten feudal in Ruanda, die Weltstars des Radsports folgen bald, die Bayern rühren gut bezahlt die Werbetrommel und auch die Formel 1 flirtet mit Afrikas neuem Sportwunderland: Der kleine Staat am Kiwusee will mit aller Macht zum großen Player nach arabischem Vorbild aufsteigen. Und wird damit nach Katar und Saudi-Arabien zum nächsten Streitfall.
Ruanda werden nämlich krasse Missachtung von Menschenrechten und Verantwortung für Kriegsgräuel im Nachbarland Kongo vorgeworfen. Die Sportwelt zu Gast bei Feinden? Am Rande eines Krisengebiets, eines Pulverfasses? Diese Vorstellung wird im Vorfeld der am Sonntag beginnenden Ruanda-Tour der Radprofis erstmals zum ganz konkreten Problem.
Sportswashing im großen Stil?
"Etappenstart und -ziel hätten in einer Risikozone gelegen, unser Teamhotel ebenfalls. Wir waren besorgt. Und wenn unsere Sicherheit nicht zu 100 Prozent garantiert werden kann, kommen wir nicht", sagte Jürgen Foré, Boss des belgischen Soudal-Quick-Step-Rennstalls, der seine Teilnahme im Gegensatz zu anderen Topteams abgesagt hat.
Eine Etappe endet 15 km entfernt der ostkongolesischen Millionenstadt Goma, die Ende Januar der "M23"-Miliz in die Hände fiel. Diese, bestehend vornehmlich aus der in Ruanda maßgeblichen Ethnie der Tutsi, führt - offenbar von Ruanda mit Waffen und Soldaten ausgerüstet - Krieg gegen kongolesische Regierungseinheiten. Dies sei eine "Kriegserklärung" Ruandas, sagt Kongos Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner. Ruanda sei damit verantwortlich für 700.000 Flüchtlinge und Tausende Tote.
Bei der Ruanda-Rundfahrt will sich Weltverbands-Präsident David Lappartient ein Bild von der Lage machen. Eine Absage der anstehenden Rad-WM im September, der ersten in Afrika, wäre ein Schlimmstfall. Für Lappartient, der Nachfolger von IOC-Chef Thomas Bach werden will. Und für den Ausrichter. "Ruanda ist ein sicheres Reiseziel", sagt Regierungssprecherin Yolande Makolo deshalb trotzig.
Kommt die Formel 1 nach Ruanda?
Ruandas märchenhafter Weg vom Horror- zum Vorzeigestaat ist holprig geworden. In der früheren deutschen Kolonie fand 1994 einer der fürchterlichsten Völkermorde statt. Mitglieder der Hutu-Mehrheit töteten rund 800.000 Menschen der Tutsi-Minderheit. Tutsi-Rebellen der RPF setzten sich letztlich gewaltsam durch, seit 2000 regiert der frühere RPF-Kämpfer Paul Kagame.
Unter dem Autokraten erlebte das Land einen Wirtschafts-Aufschwung - von dem aber nur eine kleine Elite profitierte, während viele Menschen bitterarm blieben. Die politische Opposition wird brutal unterdrückt. Weltweit soll Ruanda nach Kagames Plan als Fortschritts-Nation bekannt werden - nicht als dunkles Herz Afrikas. Dafür betreibt Kagame klassisches "Sportswashing".
Es begann mit der Ruanda-Tour, für die Lizenz-Millionen an den Weltverband fließen. Im Gegenzug schwärmen Radstars wie Chris Froome ("Es ist ein großartiges Event") unkritisch. Der Formel 1 will Kagame gar eine frische Strecke bauen, was Königsklassen-Boss Stefano Domenicali begeistert. "Wir wollen unbedingt nach Afrika, aber es braucht die richtige Strategie und Investment", sagte der Italiener.
Ruanda ist "Platin-Partner" des FC Bayern?
Im Fußball kaufte sich Ruanda auf Topklub-Ärmeln ein. Erst hieß es bei Arsenal "Visit Rwanda", dann bei PSG, mittlerweile sind die Afrikaner "Platin-Partner" der Bayern. Deren Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen kündigte zuletzt nach Kritik an, die Beziehung zu prüfen.
Es sind viele Millionen Dollar Werbekosten für auf den ersten Blick geringen Ertrag - nur rund 2000 deutsche Touristen zog es zuletzt jährlich zu Ruandas Gorillas. "Dieses Sponsoring", sagte die Oppositionelle Carine Kanimba im ARD-Podcast "Sport Inside", "ist vielmehr der Versuch, Gewalttaten zu verschleiern." Und einschlägig bekannte Figuren halten den Schleier.
2019 fand in Kigali eine "Anti-Korruptions-Gala" statt, die Ruanda gemeinsam mit Katar ausrichtete. Zu den strahlenden Gästen auf der Bühne zählte: Gianni Infantino. Der FIFA-Boss kam 2023 später wieder - mit dem gesamten FIFA-Kongress.