07.02.2025 08:05 Uhr

Was der BVB von Chukwuemeka erwarten kann - und was nicht

Carney Chukwuemeka will seine Karriere beim BVB wieder ankurbeln
Carney Chukwuemeka will seine Karriere beim BVB wieder ankurbeln

Carney Chukwuemeka wechselte kurz vor Transferschluss vom FC Chelsea zu Borussia Dortmund, auf Leihbasis inklusive einer hohen Kaufoption. Was kann der BVB vom einst als Wunderkind gehandelten Mittelfeldspieler erwarten - und was nicht?

Vorweg: Der BVB hat zuletzt gute Erfahrungen mit Winter-Neuzugängen gemacht, auch mit solchen, die nur auf Leihbasis kamen.

Im letzten Jahr ging die Wette mit Ian Maatsen vom FC Chelsea in Dortmund voll auf, viele Fans forderten die (teure) Weiterbeschäftigung. Doch die Kaderplaner am Rheinlanddamm schreckten vor dem 45-Millionen-Euro-Deal zurück, lieber investierte man das Geld in andere Mannschaftsteile.

In diesem Winter versucht es der Krisenklub mit einem anderen Blues-Profi: Carney Chukwuemeka. Auch der 21-jährige Engländer, in Österreich geboten, kommt zunächst auf Zeit. Wie "The Athletic" berichtete, übernimmt der BVB das volle Gehalt des zentralen Mittelfeldspielers und zahlt obendrein eine Leihgebühr in Höhe von 2,4 Millionen Euro, der "kicker" bezifferte sie auf unter einer Million Euro.

Die Kaufoption soll 35 Millionen Euro betragen - und stellt somit erneut eine hohe Hürde dar. Heißt, und das weiß der BVB-Fan noch bevor der Neuzugang einen Fuß ins Westfalenstadion gesetzt hat: Chukwuemeka muss schon richtig für Furore sorgen, damit der BVB eine Festverpflichtung in Angriff nimmt.

Zwei gute Gründe für den BVB-Transfer

Dass er das Zeug dazu hat, für "Furore" zu sorgen, davon ist der angezählte Sportdirektor Sebastian Kehl aber voll und ganz überzeugt. "Seine Dynamik, sein Zug zum Tor sowie sein Durchsetzungsvermögen gepaart mit großer fußballerischer Klasse machen ihn zu einem aufregenden Spieler", so der Ex-Kapitän der Borussia zur Verpflichtung.

Doch Zweifel sind allemal angebracht. Selbst Kehl konnte in der offiziellen Mitteilung nicht den Umstand übergehen, dass die Entwicklung des BVB-Neulings "zuletzt etwas ins Stocken geraten" ist. Auch von "fehlendem Rhythmus" ist die Rede, den wolle der Spieler nun in Dortmund wiederfinden.

Dass sich die Borussia dennoch für Carney Chukwuemeka entschieden hat, dürfte zwei Gründe haben: Einerseits besteht nur geringes finanzielles Risiko. Andererseits ist der Engländer, den der BVB schon seit Jahren im Blick hat, in der Tat hochveranlagt - nur konnte und durfte er sein Talent in den vergangenen Monaten kaum vorzeigen.

BVB: Chukwuemeka einst als Wunderkind gehandelt

Als 13-Jähriger war Chukwuemeka in die Nachwuchsakademie von Aston Villa gezogen, fünf Jahre später gab er sein Profidebüt. Früh galt er als Wunderkind, sein damaliger Trainer Paul Merson etwa orakelte nach dem ersten Startelfeinsatz des damals 17-Jährigen: "Er wird ein absoluter Star werden."

Wenig später folgte sein bislang größter Erfolg: Als Stammspieler und Strippenzieher gewann er 2022 mit der englischen U19-Nationalmannschaft die Europameisterschaft in der Slowakei. Nach zwei Treffern in der Gruppenphase erzielte er im Finale das so wichtige Tor in der Verlängerung. Übrigens mit auf dem Platz: Neu-Mitspieler Jamie Gittens vom BVB, mit dem er sehr eng befreundet ist. 

Chukwuemeka empfahl sich in Windeseile für Höheres, der FC Chelsea biss unter der Regie von Thomas Tuchel an und legte 18 Millionen Euro auf den Tisch. "Carney ist einer der aufregendsten jungen Spieler in Europa und wir freuen uns sehr darauf, ihn an der Stamford Bridge in Aktion zu sehen", frohlockte Eigentümer Todd Boehly.

Damals waren auch andere Top-Adressen interessiert, etwa Borussia Dortmund, der FC Barcelona oder die AC Mailand.

Tuchel lässt das Top-Talent komplett abblitzen

Doch was folgte, war keineswegs eine Erfolgsstory. Im Gegenteil: Bis Tuchel im September 2022 entlassen wurde, spielte Chukwuemeka nicht eine einzige Minute. Zu sagen, dass der Deutsche beim FC Chelsea auch über den BVB-Winterneuzugang stolperte, wäre sicherlich übertrieben. Doch sein damaliger Umgang mit Talenten wie Chukwuemeka sei zumindest einer der großen Kritikpunkte der Chelsea-Bosse gewesen, so das Fachportal "The Athletic".

Interessant: Unter Thomas Tuchels Nachfolger Graham Potter kam der Mittelfeldspieler prompt zu 14 Liga-Einsätzen, wenngleich auch nur als Teilzeitkraft (345 Minuten).

Zu Beginn der Saison 2023/24, inzwischen unter Mauricio Pochettino, schien er dann den Durchbruch geschafft zu haben. Doch nach zwei Startelfeinsätzen im offensiven Mittelfeld und seinem ersten Ligator zog sich Chukwuemeka eine Knieverletzung zu - erst im Frühjahr 2024 konnte er sich allmählich zurück in die Mannschaft kämpfen. 

Maresca wollte Chukwuemeka loswerden

Eine weitere Verletzung im Saisonendspurt führte wohl auch dazu, dass er unter dem aktuellen Teammanager Enzo Maresca außen vor blieb. Ende September hatte der Italiener unumwunden klargestellt, dass er das Top-Talent im Sommer gerne abgegeben hätte. Erneut sollen Barca und Milan Interesse gezeigt haben.

"Carney ist ein guter Spieler, aber bei der Anzahl der Spieler, die wir haben, haben wir zu Beginn der Saison entschieden, dass es womöglich besser für ihn wäre, wenn er geht und sich woanders beweist, wo er 30 oder 35 Spiele absolvieren kann, anstatt hier zu sein und wenig zu spielen. Leider hat das nicht geklappt", so Maresca.

Die Folge: Chukwuemeka blickt auf ein Halbjahr zum Vergessen zurück. Nicht einmal stand er im Premier-League-Kader der Blues, allein in der in London wenig beliebten Conference League (einmal von Beginn an, dreimal eingewechselt) und im League Cup (gegen Viertligist Barrow eingewechselt) kam er zum Zug.

Weicht Chukwuemeka beim BVB auf links aus?

Was dürften die Dortmunder also von einem Spieler erwarten, der seit Monaten kaum zum Einsatz kam?

"Ich bin ein Spieler, der sich gerne auf dem Feld zeigt, ich spiele ohne Angst", antwortete Chukwuemeka nach seinem BVB-Wechsel gegenüber Klub-Medien: "Ich gehe gerne ins Dribbling, leite Spielzüge ein, passe, schieße gerne. Ich werde immer alles geben für dieses Wappen. Ich bin ehrlich sehr dankbar, dass ich jetzt hier bin. Das alles dürfen Fans von mir erwarten."

Ein großes Plus des Neuzugangs dürfte wohl seine Vielseitigkeit sein. Als offensiv denkender Mittelfeldspieler fühlt er sich im Zentrum am wohlsten, kann aber auch auf der linken Außenbahn agieren. Womöglich hat man in Dortmund auch deshalb darauf verzichtet, einen direkten Ersatz für den zu Aston Villa abgewanderten Donyell Malen zu holen.

Neu-Trainer Niko Kovac erklärte am Donnerstag, dass der Neuling gegen den VfB Stuttgart (Samstag, 15:30 Uhr) im Kader stehen wird. Doch man müsse "Rücksicht" auf die Tatsache nehmen, dass Chukwuemeka lange Zeit außen vor geblieben ist. "Wir werden ihn punktuell heranführen", so die erste Devise.

Chukwuemeka bringt zweifellos enormes Talent mit – doch ob er in nur 14 Liga-Spielen genug zeigen kann, um seine Karriere wieder in Gang zu bekommen und dem BVB aus der Krise zu helfen, bleibt letztlich fraglich. Die Vergangenheit zeigt jedoch: Die Wette ist nicht aussichtslos.