Wamangituka spielte unter falschem Namen

Im Sommer 2019 verpflichtete der VfB Stuttgart einen gewissen Silas Wamangituka vom FC Paris, fast zwei Jahre später ist klar: Der Angreifer, der im Trikot der Schwaben bislang auf ganzer Linie überzeugte, hat nicht wirklich alle Karten auf den Tisch gelegt.
Am Dienstag veröffentlichte der VfB Stuttgart ein Statement, in dem der Verein erklärt, dass Wamangituka mit richtigem Namen eigentlich Silas Katompa Mvumpa heißt. Auch das bislang vermutete Geburtsdatum 06. Oktober 1999 stimmt demnach nicht, Katompa Mvumba ist bereits ein Jahr zuvor geboren.
"VfB-Stürmer Silas Wamangituka hat dem VfB kürzlich offenbart, dass er Opfer von Machenschaften seines ehemaligen Spielervermittlers geworden ist und Wamangituka nicht sein richtiger Name ist", eröffnet der VfB seine Mitteilung und ergänzt, dass Silas in den vergangenen Tagen und Wochen alles getan hat, um die Situation aufzuklären. Inzwischen seien offizielle Dokumente aus aus der Demokratischen Republik Kongo, dem Geburtsland des Angreifers, eingetroffen.
VfB bereits mit den Verbänden in Kontakt
Silas werde alle Abweichungen gegenüber den deutschen Behörden offenlegen und auch mit der DFL und dem DFB stehe man bereits in Kontakt. Aktuell gehe man in Stuttgart daher davon aus, "dass Silas im Besitz einer gültigen Spielberechtigung war und weiter ist". Die bestehende Spielberechtigung werde wohl entsprechend angepasst.
"Davon unabhängig steht der VfB fest an der Seite seines Spielers und möchte dazu beitragen, diesen Fall in seinem Sinne transparent aufzuklären", schließt das Statement.
"Silas bleibt der Spieler und der Mensch, der sich in die Herzen unserer Fans und seiner Mitspieler gespielt hat, seit er hier in Stuttgart ist. In Bezug auf die Namensänderung ist er vor allem Opfer. Entsprechend werden wir ihn auch schützen. Ich habe große Hochachtung davor, dass er in seinem jungen Alter, fast auf sich allein gestellt und ohne Wissen um die Folgen den Schritt gewagt hat, seine Situation zu klären", äußert sich Sportdirektor Sven Mislintat auf "vfb.de" zu den Entwicklungen.
Sportvorstand Thomas Hitzlsperger untermauerte, dass man den Fall bewusst öffentlich gemacht hat, um möglichst große Transparenz zu gewährleisten.
"Hätte diesen Schritt nicht gewagt, wenn ..."
Auch Silas Katompa Mvumpa kommt auf der Homepage des Klubs zu Wort: "Ich habe in den letzten Jahren in ständiger Angst gelebt und mir auch um meine Familie im Kongo große Sorgen gemacht. Es war ein schwerer Schritt für mich, meine Geschichte zu offenbaren", so der Stürmer.
Und weiter: "Ich hätte diesen Schritt nicht gewagt, wenn Stuttgart, mein Team und der VfB für mich nicht eine zweite Heimat geworden wären, in der ich mich sicher fühle. Heute bin ich sehr erleichtert und ich hoffe, dass ich damit auch anderen Spielern Mut machen kann, die ähnliche Erfahrungen mit Vermittlern machen mussten."
Zu dem Identitätsschwindel soll es gekommen sein, da Silas' ehemaliger Berater den Spieler massiv unter Druck setzte und ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen haben soll. Der Berater ist den Schwaben bekannt, wird aber explizit nicht benannt.
Eine Prüfung kündigte derweil der DFB-Kontrollausschuss "im Hinblick auf ein mögliches sportstrafrechtliches Fehlverhalten des Spielers" an. Hans E. Lorenz, der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, stellte jedoch schon klar, dass "eine durch die DFL wirksam erteilte Spielerlaubnis vorliegt. Davon abgesehen sind beim DFB-Sportgericht keine Einsprüche gegen Spielwertungen anhängig. Diese können wegen Fristablauf auch nicht mehr eingelegt werden".
So schildert der VfB Stuttgart den Namenstausch in seinem Statement:
Zu den abweichenden Personaldaten kam es nach den dem VfB Stuttgart vorliegenden Schilderungen und Unterlagen wie folgt:
Der richtige Name des Spielers lautet Silas Katompa Mvumpa. Er wurde am 6. Oktober 1998 in Kinshasa (Kongo) geboren, ist heute also 22 Jahre alt. 2017, als 18-Jähriger, wurde das große Talent vom RSC Anderlecht zu einem Probetraining eingeladen. Zu diesem Zweck erhielt Silas ein Visum für Belgien, gültig vom 15. August bis 14. November 2017, ausgestellt auf seinen korrekten Namen Katompa Mvumpa. Offenbar hatte der RSC Anderlecht kurz vor Ablauf des Visums Interesse an einer Verpflichtung, bat Silas jedoch, zunächst in den Kongo zurückzureisen und mit einem neuen Visum zurückzukehren, um dann den Vertrag abschließen zu können. Zu diesem Zeitpunkt war Silas 19 Jahre alt.
In dieser Situation soll ein Spielervermittler Silas in Belgien unter massivem Druck davon überzeugt haben, dass er nicht mehr nach Europa zurückkehren dürfe, wenn er Belgien einmal verlässt und in den Kongo abreist. Der Name des Spielervermittlers ist dem VfB bekannt, er wird ihn aber zum Schutz von Silas nicht öffentlich machen.
In der Hand des Vermittlers
Da Silas sehr jung, völlig unerfahren und allein war, fasste er Vertrauen zu dem Vermittler, den er bereits aus einer früheren Begegnung im Kongo kannte, und geriet in der Folge in ein komplettes Abhängigkeitsverhältnis. Er wohnte in Paris bei dem Vermittler, der ihn von der Umwelt weitgehend abschottete. Augenscheinlich hatte Silas in dieser Zeit weder auf sein Konto noch auf seine Papiere Zugriff, beides wurde vom Vermittler verwaltet. Der Vermittler, so Silas, habe seine Identitätsangaben geändert und ihm Papiere als Silas Wamangituka (einem Namen seines Vaters) sowie mit einem um genau ein Jahr geänderten Geburtsdatum, 6. Oktober 1999, verschafft.
Beweggründe waren nach derzeitiger Einschätzung keine aufenthaltsrechtlichen Erwägungen. Insbesondere stand Silas‘ Volljährigkeit zu keinem Zeitpunkt infrage. Vielmehr ging es vermutlich darum, die Verbindung des Spielers zu seinem Ausbildungsverein im Kongo zu unterbrechen. Nach der Angabe abweichender Personalangaben erhöhte sich seine Abhängigkeit zu dem Vermittler zusätzlich – denn ab sofort war er erpressbar. Jede Offenbarung der Wahrheit hätte für ihn nicht absehbare Folgen haben können, so dass Silas, der sich zudem um seine Familie in der Heimat sorgte, unter einer enormen psychischen Belastung stand. Zudem lebte er im Haus und unter Aufsicht des Vermittlers, sein Gehalt wurde ihm nicht ausgezahlt, sondern er erhielt nur einen Teil davon vom Vermittler. Der Berater drohte zudem fortwährend damit, dass Silas nie wieder Fußball spielen dürfe, wenn der Sachverhalt publik würde.
Vertrauen in den VfB
Zur Saison 2019/20 wechselte Silas zum VfB Stuttgart. Im Dezember 2019 tauchten erstmals in französischen Presseberichten Zweifel an seiner Identität auf, die auch in deutschen Medien thematisiert wurden und aufgrund derer die DFL den VfB seinerzeit um eine Stellungnahme gebeten hat. Der VfB Stuttgart hat daraufhin, wie schon zuvor bei der Verpflichtung, die von der Seite des Spielers, der damals noch vom selben Vermittler vertreten wurde, vorgelegten Dokumente eingehend geprüft und hatte auch nach Gesprächen mit Silas und seinem Berater keinen Anlass, an ihnen zu zweifeln. Silas hätte auf dieser Grundlage vermutlich bis zu seinem Karriereende weiter professionell Fußball spielen können, da alle erforderlichen Papiere sowohl von französischen als auch deutschen staatlichen Stellen geprüft waren und lückenlos und formal korrekt vorlagen.
Nachdem er in Stuttgart jedoch zunehmend Vertrauen zu den handelnden Personen im Club und zu seinen Teamkollegen gefasst hatte und sich durch die räumliche Trennung auch von dem Vermittler Stück für Stück lösen konnte, offenbarte Silas trotz weiter großer Angst vor seinem bisherigen Vermittler und dessen Drohungen seine Zwangssituation im engsten Kreis und beschloss, den Berater zu wechseln. Dieser und der VfB haben Silas seitdem intensiv darin bestärkt und unterstützt, an der Klärung seiner Situation mitzuwirken und aktiv auf die zuständigen Behörden zuzugehen. Während insbesondere Sportdirektor Sven Mislintat den Kontakt zum Spieler und seinen neuen Beratern hält, hat Thomas Hitzlsperger Kontakt zur DFL aufgenommen.
Inzwischen liegt Silas aufgrund seiner aktiven Mitwirkung an der Aufklärung der Situation ein gültiger kongolesischer Pass mit seinen korrekten Personalangaben vor. Nach allen derzeitigen Erkenntnissen wäre die Angabe von abweichenden Personaldaten durch seinen Vermittler nicht erforderlich gewesen, damit Silas in Europa einen Aufenthaltsstatus erhält. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass die in Frankreich und in Deutschland ausgestellten Aufenthaltstitel auch dann erteilt worden wären, wenn der ehemalige Vermittler Silas nicht in ausbeuterischer Weise unter Druck gesetzt hätte und abweichende Personaldaten angegeben worden wären. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Silas irgendwelche finanziellen Vorteile aus dem Vorgehen seines ehemaligen Vermittlers gezogen hat.
Es ist im Interesse von Silas ebenso wie im Interesse des VfB, die Angelegenheit abschließend korrekt zu regeln. Rechtliche Schritte gegen seinen ehemaligen Vermittler werden von Silas und den ihn unterstützenden Personen derzeit geprüft. Auch der VfB behält sich dies vor.