"Ein Witz": Bundesliga-Restart spaltet deutschen Sport

Der Neustart der Fußball-Bundesliga spaltet die Sportgemeinschaft. Ruder-Weltmeister Oliver Zeidler kritisiert das "wahnsinnige System".
Das scheinbar endgültige Fazit verbreitete sich rasend: Der Restart der Bundesliga war ein Erfolg. Lob erreichte den Profifußball aus der Politik, von der internationalen Konkurrenz, und auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann bestätigte, dass sich die akribische Vorbereitung der DFL und der Vereine "erkennbar gelohnt" habe. Doch in den Sphären abseits eines "wahnsinnigen Systems" steigt die Zahl der Kritiker.
Die deutsche Sportgemeinschaft hat das erste Bundesliga-Wochenende teilweise mit weniger Wohlwollen erlebt. So auch Oliver Zeidler. Ein "Witz" sei es, sagte der Ruderer dem "SID", "wenn Kinder nicht in die Kita können, Gastronomen nicht voll ihre Kapazitäten ausnutzen dürfen. Dann ist es das absolut falsche Signal, Millionäre auf den Platz zu schicken." Er wünsche sich, dass die Fans der "immer stärker abdriftenden Parallelwelt" den Rücken zukehren.
Zeidler ist Welt- und Europameister im Einer, er ist der Senkrechtstarter der Ruder-Welt, doch seinen Aufstieg kann der 23-Jährige aufgrund der Coronakrise vorerst nicht fortsetzen. Zwar darf er wieder "relativ normal" trainieren, für viele andere Sportler ist das allerdings keine Selbstverständlichkeit, zumal Wettkämpfe ohnehin in weiter Ferne sind. Für Zeidler ist es die Bestätigung der oftmals beschworenen Sonderrolle des Fußballs.
Vetter bezeichnet Bundesliga-Restart als "pervers"
Ihm zur Seite springt auch Olympiasieger Thomas Röhler - wenn auch verhaltener. Gesellschaftliches Verständnis für den Restart habe er in seinem Umfeld jedenfalls wenig wahrgenommen, sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Sein Speerwurf-Teamkollege Johannes Vetter hatte bereits vor dem Wiederbeginn der Bundesliga gewettert. Es sei pervers, sagte der Weltklasse-Athlet, der Staat verkaufe die Gesundheit des Volkes und des leidenden Menschen an den Fußball.
Es zeigt sich: Der Bundesliga-Neustart spaltet den deutschen Sport. Positiver äußerte sich Hörmann, der allerdings im selben Atemzug einen Appell an die Fußballer richtete. "Es bleibt zu hoffen, dass sich alle Protagonisten der weiterhin besonderen Verantwortung bewusst sind und bis zum letzten Spieltag konsequent vorbildlich agieren", sagte der 59-Jährige.
Deutlich gelassener erlebte Fechter Max Hartung die ersten Spiele. "Wenn man sieht, dass wieder Fußball gespielt wird, juckt es einem schon in den Fingern, wieder auf die Planche zu gehen", sagte der Präsident des Vereins Athleten Deutschland dem "SID". Andererseits sei er froh, "dass wir auf weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen von COVID-19 auf Leistungssportler warten können".
"Fußball alleine auf weiter Flur"
Durch die Alleinstellung des Fußballs ergibt sich eine weitere Frage: Vergrößert sich nun der ohnehin gewaltige Vorsprung zum Rest der deutschen Sportwelt? "Natürlich findet der Fußball jetzt im TV alleine statt. Mir als Fechter war es immer schon ein Anliegen, dass es medial mehr als Fußball gibt", sagte Hartung. Doch wie erhält der Rest die nötige Aufmerksamkeit ohne Wettkämpfe? Ohne Olympische Spiele in diesem Jahr?
Eine Frage, die auch Zeidler beschäftigt. "Der Fußball wird da erstmal alleine auf weiter Flur stehen", sagte der Ruderer, der trotz seiner Erfolge um jeden Sponsor kämpfen muss. Auch deshalb hat er kein Verständnis für den Fußball. Es gehe "nur um Geld, nicht darum, wer deutscher Meister wird. Das interessiert sowieso niemanden in Corona-Zeiten."