Péter Gulácsi als Stoiker im Spektakel

Der stoische Péter Gulácsi ist so etwas wie der Gegenpol des mitunter wilden Überfallfußballs seiner Vorderleute von RB Leipzig. Genau deshalb wird er beim Vizemeister so geschätzt.
Péter Gulácsi passt auf den ersten Blick so gar nicht in die kunterbunte Welt des Bundesligisten RB Leipzig. In einem roten Sacko wie dem von Naby Keïta wird man den 27-Jährigen niemals sehen, eine extravagante Frisur wie die von Kevin Kampl wird Gulácsi niemals tragen - und das nicht nur, weil sein spärliches Haupthaar so etwas nicht mehr zulässt. Der zurückhaltende Ungar ist kein Showman, auch sein Torhüterspiel ist eher sachlich als spektakulär.
Bis vor kurzem hätten deswegen sicher viele Fußballfans Probleme gehabt, den Namen des Torwarts des Bundesliga-Vizemeisters zu nennen. Der Aufstieg des Emporkömmlings war mit Namen wie Keïta, Timo Werner oder Emil Forsberg verbunden. Aber Gulácsi? Doch spätestens seit seinem grandiosen Auftritt im DFB-Pokal gegen Bayern München, als er vor allem Stürmerstar Robert Lewandowski mit Weltklasseparaden an den Rand der Verzweiflung trieb, weiß auch die breite Öffentlichkeit, was intern schon alle wissen: Auch in Leipzig steht ein richtig Guter zwischen den Pfosten.
Bei englischen Topklubs auf dem Zettel?
"Mein Ziel als Kind war, einmal in einer europäischen Topliga die Nummer eins zu sein, und das bin ich im Moment", sagt Gulácsi: "Viel mehr kann ich nicht erwarten: Ich spiele in der Champions League, und ich bin Teil eines Klubs, der sich stark entwickelt." Bis 2020 ist der ungarische Nationaltorwart, der in seinem Heimatland die Nachfolge von Kultkeeper Gábor Király angetreten hat, an RB gebunden. Aber bleibt er auch so lange?
Seine zuletzt konstant starken Leistungen sind natürlich auch den zahlungskräftigen Klubs in England nicht verborgen geblieben. Nach Informationen von "ESPN" sollen die Spitzenklubs FC Chelsea und FC Arsenal ein Auge auf den Leipziger Schlussmann geworfen und auch schon Scouts zu RB-Spielen geschickt haben, um Gulácsi genauer unter die Lupe zu nehmen.
Von Rangnick angezählt
Das Interesse aus England dürfte eine Genugtuung für "Pete" sein. Als 17-Jähriger hatte der Torhüter 2007 den Sprung auf die Insel zum FC Liverpool gewagt, doch bei den Reds durfte der Ungar lediglich im Reserveteam auflaufen. Oder er wurde an unterklassige Mannschaften auf der Insel verliehen. Über den Umweg Red Bull Salzburg landete Gulácsi - wie viele andere auch - bei Bruderklub RB Leipzig.
Doch auch in Leipzig musste sich Gulácsi zunächst gedulden. Erst durch eine schwere Verletzung von Fabio Coltori eroberte er sich den Status der Nummer eins bei den Sachsen. Mit Gulácsi zwischen den Pfosten stieg Leipzig auf, ganz unumstritten war der Torhüter aber lange Zeit nicht. Als ihm vor einem Jahr bei Bayern München (0:3) ein Fehler unterlaufen war, zählte ihn Ralf Rangnick öffentlich an. Als der Sportdirektor in diesem Sommer das Schweizer Torhüter-Talent Yvon Mvogo für fünf Millionen Euro verpflichtete, glaubten nicht wenige an eine Wachablösung. Doch der Konkurrenzkampf machte Gulácsi noch stärker.