19.11.2016 09:59 Uhr

Neururer exklusiv: "Da pulsiert das Stadion"

Peter Neururer trainierte den 1. FC Köln zwischen 1996 und 1997
Peter Neururer trainierte den 1. FC Köln zwischen 1996 und 1997

Als Trainer hat Peter Neururer den 1. FC Köln bei nicht weniger als vier Derbys gegen Mönchengladbach in die Schlacht geführt. Im Gespräch mit weltfussball.de äußerte sich der Kult-Coach nun zu seinen Erfahrungen und der Bedeutung des Derbys.

Am Samstag steigt das große Rhein-Derby im Borussia-Park zwischen Gladbach und dem 1. FC Köln. Was erwarten Sie für ein Spiel

Ich habe ja beim FC Köln einige Spiele erfolgreich bestritten, weiß aber auch, was bei einer Niederlage - auswärts habe ich das erlebt in Gladbach - auf einen zukommt. Das ist eines der traditionsreichsten Derbys und der emotional höchststehendsten Derbys, die es gibt im deutschen Fußball. 

Und bezeichnenderweise ist für den FC Köln ein Spiel gegen Leverkusen in der Wahrnehmung immer noch nicht so hoch angesiedelt, wie ein Spiel gegen Borussia Mönchengladbach. Da wäre das Derby gegen Düsseldorf noch größer anzusiedeln als das gegen Leverkusen. Gladbach ist für die Kölner in den letzten Jahren immer noch das Größte gewesen. Das ist aus Tradition geboren, aus früheren Zeiten, als Hennes Weisweiler sowohl für Gladbach als auch später beim 1. FC Köln Trainer war... Das ist etwas Außergewöhnliches, da pulsiert das Stadion.

Sie haben ja den FC ja selbst vier Mal ein Derby gegen die Borussia schicken dürfen, und haben nur eine Partie gewonnen...

Ja, aber ganz hervorragend. Vier Stück gab es da gleich. Das hat mich sehr gefreut damals gegen Christian Hochstätter und Steffen Effenberg. Das muss damals im September gewesen sein. Sundy Oliseh hat damals noch einen Treffer erzielt aus einer riesen Entfernung. Das waren immer besondere Erlebnisse.

War das Gefühl nach Niederlagen in diesen Spielen hinterher ein anderes?

Ja, das merkte man. Aber gar nicht so sehr in der Mannschaft, der tat es zwar auch mehr weh als jede andere Niederlage, aber im Umfeld war es ein riesen Thema. Bei den Rentnern, die zum Training kamen und den Fans, da war es sofort klar, dass man solch eine Niederlage nicht mit der aus anderen Spielen vergleichen kann. Da merkt man schon, dass das Derby etwas ganz Besonderes ist.

Das Umfeld verhält sich ja auch schon vor den Spielen ganz anders...

Alle sind elektrisiert. Jeder ist emotional total dabei. Leute, die eigentlich ganz normal zum Verein stehen, sind auf einmal engagiert bis zum geht nicht mehr und sind total emotional verbunden. Sie sehen dann Siege wie persönliche Siege, aber Niederlagen auch wie persönliche Niederlagen. 

Bereitet man seine Mannschaft als Trainer anders auf diese Duelle vor oder muss man das gar nicht?

Nein, das muss man nicht. Dafür ist der Charakter des Derbys ausreichend, um eine Motivationslage zu erzeugen, bei der man nichts Spezielles mehr machen muss. Man musste keine besonderen Ansprachen halten. Das lief von alleine. 

Könnte es ein Vorteil sein, dass es bei Köln zur Zeit gut läuft und Gladbach seit Ende September auf einen Bundesliga-Sieg wartet?

In der jetzigen Situation ist Köln, die stabilere Mannschaft. Wobei das im Derby eigentlich auszuklammern ist. Das wird nicht der Grund dafür sein, dass man Erfolg hat oder andersherum, dass man von Gladbacher Seite aus keinen Erfolg haben wird. Es steht unter einem anderen Stern, da werden die Karten komplett neu gemischt. Die letzten Ergebnisse, auch die der letzten Aufeinandertreffen, sind da völlig uninteressant. Es ist immer eine Neuauflage.

Sie selbst haben den FC mal als ihren "dritten Lieblingsklub" bezeichnet. Können Sie das erklären?

Es war in meiner Jugend mein erster Lieblingsklub, weil ich von Kindesbeinen an immer vor Ort war und habe den Verein dann ja auch später trainiert. Dann ist ja meine Affinität für Schalke 04 bekannt, wo ich im Augenblick noch Mitglied bin, und bis zu der Verabschiedung von mir gehörte auch noch der VfL Bochum mit dazu.

Wohin geht es für die Geißböcke in dieser Saison?

Ich hoffe, dass es ausreichend ist für den internationalen Wettbewerb. Ich glaube, Europa League ist realistisch. Alles andere sollte man in diesem Jahr nicht in Angriff nehmen, aber man kann - wenn es weiter so positiv läuft - in zwei bis drei Jahren davon sprechen. 

Kann einer wie Modeste es mit Lewandowski und Co. aufnehmen?

Der spielt in einer anderen Mannschaft. Der hat im Augenblick eine super Phase, spielt großartig in einem gut funktionierenden Team. Aber mit Lewandowski möchte ich ihn noch nicht vergleichen. 

Was passiert in Gladbach falls die Borussia das Derby verliert?

Da wird Max Eberl wie bisher seine Ruhe bewahren und zeigen, dass er einer der ganz wenigen Manager in der Bundesliga ist, die mit Konzept arbeiten. 

Viele Teams stellen ihre Abwehr mittlerweile auf drei Innenverteidiger um, spielen im flexiblen 3-5-2, so auch der FC und die Gladbacher zeitweise...

Ich habe früher immer das gespielt, was die jeweilige Mannschaft spielen konnte. 3-5-2 habe ich allerdings nie spielen lassen.

Heutzutage werden aus diesen drei hinten eher mal fünf. Da ist man sehr flexibel. Eigentlich ist diese ganze Diskussion um das neuentdeckte 3-5-2 dummes, modernes Fußballgeschwätz, ohne irgendeinen Hintergrund. Es wird oftmals überstilisiert, überinterpretiert. Ich beschränke mich grundsätzlich bei meinen Analysen auf das Wesentliche. Wichtig ist, dass der Trainer - und das ist sowohl bei Stöger als auch bei Schubert der Fall - Systeme für die einzelnen Spieler aussucht, die er zu betreuen hat. Dort bewegen sich die Profis dann im optimalen Bereich.

Ihr Tipp! Wie geht die Begegnung am Samstag aus?

Ich glaube, dass der 1. FC Köln gewinnt, wie immer. (lacht) 
Ernsthaft: Ich hoffe, dass Köln gewinnt, ich glaube aber an ein Unentschieden.