13.02.2015 10:19 Uhr

Pierluigi Collina: Superstar an der Pfeife

Pierluigi Collina war einer der wenigen Superstars unter den Schiedsrichtern
Pierluigi Collina war einer der wenigen Superstars unter den Schiedsrichtern

Obwohl er selbst nie gegen den Ball getreten hat, zählt Pierluigi Collina zu den bekanntesten Gesichtern des Weltfußballs. Für das Schiedsrichterwesen setzte der Italiener neue Maßstäbe. Ausgerechnet seine Popularität zwang ihn zum Rücktritt. Zu seinem 55. Geburtstag blickt weltfussball auf die Karriere des besten Unparteiischen aller Zeiten zurück.

Pelé, Puskás, Maradona, Zidane, Messi oder vielleicht doch Ronaldo? Die Frage nach dem besten Fußballer aller Zeiten wird wohl nie endgültig beantwortet werden. Ebenso wenig wie die nach dem besten Trainer. Die Frage nach dem besten Schiedsrichter aller Zeiten dagegen schon. Dieser Titel gebührt Pierluigi Collina. Der Finanzberater aus Viareggio setzte zu seiner aktiven Zeit neue Maßstäbe und wurde als Mann an der Pfeife zum Superstar.

Sieben Mal wurde Collina in Italien zum Schiedsrichter des Jahres gewählt, 2011 wurde er in die Hall of Fame des italienischen Fußballs aufgenommen. Seine Ausstrahlung, die enorme Präsenz auf und abseits des Platzes sowie seine Art und Weise, mit den millionenschweren Stars auf dem Feld umzugehen, verschafften ihm weltweit Respekt.

Erster Platzverweis gegen einen Bankspieler

Dass der 1960 in Bologna geborene Collina außergewöhnliches Talent besaß, zeigte sich schon zu Beginn seiner Laufbahn. Binnen weniger Jahre arbeitete er sich Schritt für Schritt nach oben, bis er 1991 in den Kreis der Serie-A-Schiedsrichter aufgenommen wurde. Vier Jahre später zählte er offiziell zur erlesenen Auswahl der FIFA-Schiedsrichter.

Auf dem Weg dorthin sorgte der berühmteste Unparteiische aller Zeiten häufiger für Gesprächsstoff. So war er zum Beispiel der erste Schiedsrichter in der Geschichte, der einem Bankspieler die Rote Karte zeigte.

Zudem war er der erste Spielleiter, der gleich zwei Seitenwechsel innerhalb eines einzigen Ligaspiels anordnete, weil die Fans hinter den Toren die gegnerischen Torhüter mit Wurfgeschossen eindeckten. Ein unhaltbarer Zustand, der Collina zu dieser bis dahin einmaligen Maßnahme zwang.

Entscheidende Rolle im "Regen-Spiel"

In der Saison 1999/2000 nahm er im Kampf um den Scudetto eine weitere unfreiwillige Hauptrolle ein. Lazio Rom legte im Fernduell mit Juventus Turin am letzten Spieltag vor und gewann gegen Reggina mit 3:0. Die Alte Dame ging in Perugia derweil mit einem 0:0 in die Pause, brauchte aber dringend einen Sieg. 

In der zweiten Halbzeit brach in der umbrischen Hauptstadt plötzlich ein Unwetter los. Binnen Sekunden wurde der Rasen zu einer Sumpflandschaft. Die Turiner forderten einen Spielabbruch, Collina aber ließ unter fragwürdigen Bedingungen weiter spielen. Juve verlor das "Regen-Spiel" mit 0:1 und verspielte den Scudetto. Während die Bianconeri den Mann an der Pfeife verfluchten, wurde er im Rest des Landes für seine mutige Entscheidung gefeiert.

Akribische Vorbereitung als größte Stärke

So selbstbewusst und souverän Pierluigi Collina auf dem Feld agierte, seine größte Stärke war die fast schon krankhafte Akribie, mit der er sich auf Spiele vorbereitete. Stundenlang analysierte er gemeinsam mit seinem Team die Eigenheiten und Bewegungsabläufe der Spieler sowie die Spielweise der Mannschaften.

"Das größte Problem für jeden Schiedsrichter ist das Überraschungsmoment. Je besser man vorbereitet ist, desto geringer wird aber die Gefahr, überrascht zu werden", lautete sein Credo. Selbst die Analyse von Standardsituationen gehörte zum festen Teil seiner Vorbereitung. Nur so könne er letztlich wissen, "welche Spieler bei Eckbällen und Freistößen die Blocks vorbereiten, um andere möglichst gut in Position zu bringen."

Die ausgiebige Vorbereitung, seine oftmals strenge, gleichzeitig offene und sympathische Art sowie sein markantes Äußeres ließen ihn zum Superstar an der Pfeife werden. 

Aufstieg zur Werbeikone

Collinas Popularität nahm bis dato nicht gekannte Ausmaße an. Er veröffentlichte eine Biografie, sein Gesicht zierte Tiefkühlprodukte und Cover von Videospielen, seine Meinung war in jeder Talkshow gefragt. Selbst ein bekannter Autohersteller verpflichtete ihn als Markenbotschafter. Eine Million Euro jährlich soll ihm der Deal eingebracht haben. Ein teures Vergnügen, denn ausgerechnet dieser Werbevertrag beendete seine aktive Karriere.

Da der Hersteller gleichzeitig zu den großen Sponsoren des AC Milan zählte, sah der Verband einen nicht zu lösenden Interessenkonflikt und suspendierte ihn. Collina trat daraufhin im August 2005 zurück. Dabei hatte eben jener Verband erst kurz zuvor die "Lex Collina" verfasst. Einen Passus, der es ihm erlaubte, trotz Überschreitung der Altersgrenze weiterhin Spiele zu leiten.

2006 wurde Collinas Name gar im Zuge der Ermittlungen im italienischen Manipulationsskandal genannt. "Collina wusste alles", titelte die "Gazzetta dello Sport". Was an diesen Vorwürfen dran ist, ist immer noch ungeklärt. Dem guten Ruf von Pierluigi Collina hat die Geschichte zumindest nicht geschadet. Ebenso wenig seinem Image als bestem Schiedsrichter aller Zeiten.

Mehr dazu:
>> Diashow: Collina & Co. - Kult-Schiedsrichter bei der Arbeit

Christian Schenzel