Horst Hrubesch: Ein Idol für alle (Not-)Fälle
Der DFB gewinnt in einer delikaten Lage Zeit. Horst Hrubesch springt als Frauen-Bundestrainer für die erkrankte Martina Voss-Tecklenburg ein.
Ein Idol für alle (Not-)Fälle: Horst Hrubesch hilft den Fußballerinnen wieder einmal aus der Patsche und verschafft dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) in der zermürbenden "MVT-Frage" wertvolle Zeit. Durch die Berufung des beliebten wie ebenso erfahrenen 72-Jährigen zum Interimstrainer der strauchelnden Frauen-Nationalmannschaft kann der Verband in Ruhe an einer dauerhafte Lösung arbeiten.
"Ich musste bei der Anfrage nicht lange überlegen", kommentierte Hrubesch sein erneutes Engagement als Übergangslösung an der Seitenlinie des zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameisters: "Für mich ist es eine Herzensangelegenheit."
Dank der Zusage des Sympathieträgers kann der DFB seinen Plan einhalten. Demnach soll erst in der Folge einer Rückkehr der seit Wochen erkrankten Martina Voss-Tecklenburg die Analyse des zurückliegenden WM-Debakels weiterbetrieben und über die Zukunft der Bundestrainerin beraten werden. Der DFB betonte, Hrubeschs Einsatz erfolge "bis auf Weiteres" und "mit Blick auf die hoffentlich weiter voranschreitende Genesung" Voss-Tecklenburgs "sowie unter Berücksichtigung der sportlichen Entwicklung".
Der Verband kann sich schwerlich erlauben, seine kranke Bundestrainerin ihres Amtes zu entheben - auch wenn zuletzt mehrfach über deren angeblich verlorenen Rückhalt in der Mannschaft spekuliert worden war. Voss-Tecklenburg soll die Chance zur Aufarbeitung des Scheiterns in der WM-Vorrunde gegeben werden. Zuletzt wurde zudem berichtet, "MVT" könne als Sportdirektorin weitermachen.
Grundsätzlich bleibt die Lage also delikat. Denn neben den Personalfragen stehen überaus wichtige Aufgaben an. "Wir werden zusammen versuchen, uns in den verbliebenen Spielen der Nations League eine gute Ausgangsposition für die Olympia-Qualifikation zu erarbeiten", sagte Hrubesch, der mit der bisherigen Co-Trainerin Britta Carlson eng zusammenarbeiten soll: "Wir kennen und schätzen uns. Und Britta kennt das Team."
Hrubesch selbst kennt sich beim DFB glänzend aus, schließlich war er 2017 übergangsweise Sportdirektor und zudem Trainer der Männer-U21 beim EM-Triumph 2009. Er hat auch das Frauen-Nationalteam schon betreut, 2018 war das, und recht erfolgreich: Er gewann als Nachfolger von Steffi Jones neben einem 0:0 gegen Spanien alle weiteren sieben Spiele und löste das Ticket für die WM 2019.
Für Tabea Kemme ist Hrubesch die richtige Wahl. "Mit seiner ruhigen und empathischen Art ist er ein vertrauensvoller und kommunikativer Coach. Genau das, was die Spielerinnen nach der zerfahrenen Zeit zuletzt brauchen", sagte die Olympiasiegerin dem Nachrichtenportal t-online.
Hrubesch wird seine Aufgaben beim Hamburger SV als Direktor des Nachwuchsleistungszentrums zwischen den DFB-Lehrgängen weiterführen. "Für uns ist es selbstverständlich, dass wir den DFB und das Frauen-Nationalteam unterstützen", sagte HSV-Vorstand Jonas Boldt. "Horst wird von uns alle Rückendeckung erhalten, damit die deutsche Auswahl erfolgreich spielen und das Olympia-Ticket buchen kann."
Zeit bleibt Hrubesch wenig, er wird sich umgehend in die Arbeit stürzen. "Die Vorbereitung beginnt jetzt", sagte er. In der Nations League geht es bald Schlag auf Schlag: gegen Wales (27. Oktober), in Island (31. Oktober), gegen Dänemark (1. Dezember) und in Wales (5. Dezember).
Für seine Spielerinnen war die Unklarheit zermürbend. "Es muss eine Lösung gefunden werden", forderte Mittelfeldspielerin Lena Lattwein nach dem jüngsten 4:0 gegen Island. Der Sieg hatte die Hoffnung auf die Olympia-Teilnahme 2024 in Paris erhalten. Diese Hoffnung soll Hrubesch nun schüren.