"Einfach dumm": Werder verliert gegen Hoffenheim
Große Löcher und ein niederschmetterndes Finale: Werder Bremen erwartet nach dem nächsten schmerzlichen Rückschlag eine ungemütliche Länderspielpause.
Ole Werner und seine Spieler liefen konsterniert über den Rasen, im eben noch überkochenden Stadion wurde es plötzlich still. Die niederschmetternde Schlussphase, das betäubende Wechselspiel aus Hoffnung und Enttäuschung, machte diese Niederlage für Werder Bremen noch bitterer.
Nach einem spektakulär wilden Finale verloren die Bremer 2:3 (1:2) gegen die spielerisch reifere TSG Hoffenheim, sie müssen ihren Blick vorerst gen Tabellenkeller der Fußball-Bundesliga richten. Die Länderspielpause wird ungemütlich werden - auch, weil der riesige Ausbruch der Freude in der Nachspielzeit nur 87 Sekunden dauerte.
Denn Jens Stage (90.+1) schien Werder mit einem Krachertor doch noch einen Punkt gerettet zu haben, aber Marius Bülter (90.+2) trat das Feuer umgehend wieder aus. "Wenn du nach diesem 2:2 noch ein Tor kassierst, kannst du in dieser Liga eben keine Punkte mitnehmen, sagte der schwer enttäuschte Werder-Profi Mitchell Weiser bei "Sky". Stage betonte, das Team hätte "cooler bleiben müssen", Kapitän Marco Friedl fasste zusammen: "Wir sind einfach dumm!"
Auch Star-Transfer Naby Keita, der erstmals seit seinem Wechsel vom FC Liverpool in der Startelf stand, verhalf Werder vor 41.000 Zuschauern im Weserstadion nicht zu einer passenden Reaktion auf das enttäuschende 2:4 in Darmstadt. Maximilian Beier (8.) und Grischa Prömel (29.) hatten zunächst für die gut eingestellten Gäste von Coach Pellegrino Matarazzo getroffen, die mit ihrem vierten Sieg im vierten Auswärtsspiel den Kontakt zur Spitze halten. Für das zwischenzeitliche 1:1 sorgte Romano Schmid (17.).
Hoffenheim deckt Werders Schwächen auf
Nach dem indiskutablen Auftritt in der Vorwoche war die Atmosphäre in Bremen unruhiger geworden. Auch Werner musste Kritik hinnehmen. Der 35-Jährige fühlte sich zu Veränderungen berufen - er ließ neben Keita auch Sturmjoker Justin Njinmah erstmals von Beginn an ran.
Die erste gelungene Offensivaktion lieferten die Gastgeber: Njinmah versuchte es aus der Distanz - Oliver Baumann im Tor der TSG musste aber nicht eingreifen (3.). Hoffenheim erwies sich dann als enorm zielstrebig. Beier (20), der den Sprung in den ersten Kader des neuen Bundestrainers Julian Nagelsmann noch verpasst hatte, spielte nach einem Steilpass sein Tempo aus und vollendete gekonnt. Werder schob Frust über das 15. Gegentor der Saison.
Werners Team gelang zwar der umjubelte Ausgleich. Doch die Freude hielt schon beim ersten Mal nicht lange an. Immer wieder zeigten die Hoffenheimer die Unzulänglichkeiten im Bremer Abwehrverbund auf. Offensiv gelang den Norddeutschen im ersten Durchgang nicht mehr viel - auffällige Aktionen von Keita blieben aus. Zur Pause gab es einige Pfiffe der treuen Anhänger.
Werder kam mit neuem Schwung aus der Kabine und jubelte in der 51. Spielminute - doch der vermeintliche Ausgleich Njinmahs zählte wegen einer knappen Abseitsstellung nicht. Wenig später war der Arbeitstag für Keita und Njinmah beendet. Die Mehrzahl der Fans im Weserstadion hoffte nun auf Joker Rafael Borre, doch die Geschichten eines wilden Finales schrieben andere.
Die "Sky"-Stimmen zum Spiel:
Ole Werner (Trainer SV Werder Bremen) ... zur späten Niederlage: "In erster Linie bitter. Die Mannschaft hat in der zweiten Halbzeit ein gutes Spiel gemacht, ist zurückgekommen. Eine lange Zeit hat sie sich nicht belohnt, dann macht man das in der Nachspielzeit. Dann ist es extrem bitter und das, was wir uns vorwerfen lassen müssen, ist, dass wir mit dem Gegenangriff in Rückstand geraten und es nicht mehr umdrehen können. Es ist etwas, was uns so nicht passieren darf. Das kostet dich in diesen engen Spielen Punkte."
... zum Spiel: "Man muss das Spiel als Ganzes bewerten. In der zweiten Halbzeit standen wir allerdings ganz anders auf dem Platz, als es in der ersten Halbzeit der Fall war. Es waren zwei unterschiedliche Hälften von beiden Mannschaften und in unserem Fall war die zweite die bessere."
... warum er weiterhin die beste Wahl als Werder-Coach sei: "Man muss immer die Umstände sehen, in denen man arbeitet und sich entwickelt. Wenn man die zweite Halbzeit in diesem Spiel sieht und die Spiele gegen Mainz und Köln, sieht man, dass die Dinge funktionieren und die Mannschaft es will. Das stimmt mich optimistisch für die Zukunft."
... zum Startelf-Debüt von Naby Keita (vor dem Spiel): "Es ist nicht ein Spieler alleine dafür verantwortlich, dass wir ein gutes Spiel machen. Er soll seine Stärken mit einbringen. Es ist das erste Spiel, was er von Beginn an für uns spielt. Da wird von den Abstimmungen her nicht ab der ersten Sekunde alles passen. Ein Spieler von seiner Qualität wird sich zurechtfinden."
Mitchell Weiser (SV Werder Bremen) ... zur Ansprache von Trainer Ole Werner nach dem Spiel: "Die erste Halbzeit war zu wenig von uns, dann kam aber eine ordentliche zweite Halbzeit. Wenn du so kindisch nach dem 2:2 das Tor kassierst, kannst du in der Liga keine Punkte mitnehmen. Das ist alles, was er gesagt hat."
... zur sportlichen Lage: "Generell sind wir eine Mannschaft, die sich noch finden muss. Viele neue Gesichter im Kader und in der Startelf. Es ist normal, wir haben uns aber im Spiel gehalten. In der zweiten Halbzeit haben wir ein besseres Spiel gemacht - das bringt aber nichts."
... zum späten Gegentreffer: "Es ist mental. Bei dem Anstoß sieht man schon: Wir haben das 2:2 gemacht, du machst einen Schritt weniger."
Marco Friedl (Kapitän SV Werder Bremen) ... zur späten Niederlage: "Weil wir dumm sind. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Die ganze zweite Halbzeit sind wir besser. Zur Halbzeit steht es 1:2, wir wissen, dass wir kein gutes Spiel gemacht haben und dennoch ist alles möglich. Dann kämpfst du 45 Minuten, dass du in der Nachspielzeit das Tor erzielst und dann kassierst du im nächsten Angriff das 2:3. Das ist einfach dumm."
... zu den Werder-Fans: "Die Fans sind nicht nur heute, sondern immer außergewöhnlich. Man hat gesehen, was für eine Wucht sie in der zweiten Halbzeit entwickeln können. Es ist keine einfache Phase, jetzt haben wir Zeit, dass einige verletzte Spieler zurückkommen. Dann geht es volle Kraft voraus. Das Programm wird nicht leichter. Wenn etwas Mut macht, ist es die zweite Halbzeit."
Pellegrino Matarazzo (Trainer TSG 1899 Hoffenheim) ... zum späten Siegtreffer: "Die Mannschaft hat schon ein paarmal gezeigt, dass wir auch nach einem Rückstand zurückkommen können. Nach dem Ausgleichstreffer hat man gemerkt, dass wir ohne Angst gespielt haben. Ich glaube immer daran, die Jungs haben es schon öfter gezeigt."
... zur sportlichen Lage: "Man muss sich Ziele setzen. Aktuell ist mein Ziel mit der Mannschaft, dass wir unsere Leistungen auf einem höchstmöglichen Niveau stabilisieren. Dann werden wir in den nächsten Wochen Ziele setzen. Wir sind geschlossen und haben eine Idee. Es geht in die richtige Richtung."
... zur guten Entwicklung der TSG (vor dem Spiel): "Wir haben gute Entscheidungen auch in der Transferperiode getroffen. Wir haben einen guten Wettkampf im Kader, der dafür sorgt, dass man sich nie zu sicher fühlt. Wir sind geerdet nach der letzten Saison. Man darf in der Bundesliga nie überheblich sein. Auf dem Level ist immer die Mannschaft, die mehr investiert hat, im Vorteil."
... zu Maximilian Beier (vor dem Spiel): "Bei jedem Spieler muss man individuell betrachten, ob eine Leihe Sinn ergibt oder nicht. In diesem Fall hat es definitiv Sinn ergeben. Er ist mit einer anderen Reife zurückgekommen, ist ein Stück weit zum Mann geworden in Hannover. Aktuell geht er auf. Er hatte einen guten Start in die Vorbereitung, dann ein Tief und nun ist er die letzten Spiele voll da."
Grischa Prömel (Torschütze TSG 1899 Hoffenheim) ... zur Schlussphase: "Wir haben förmlich darum gebettelt, dass die Bremer das 2:2 erzielen. Daher bin ich überglücklich, dass wir Marius Bülter in der Mannschaft haben, der nochmal einen zündet und uns drei Punkte sichert."
... zur zweiten Halbzeit: "Das müssen wir aufarbeiten. Die ersten 45 Minuten waren super von uns, da hatten wir Bremen da, wo wir sie haben wollten. In der zweiten Halbzeit wurden wir viel zu passiv. Wir hatten noch die eine oder andere Chance, um den Sack zuzumachen."
... was für die TSG noch möglich sei: "Eine Menge, das sieht man in den vergangenen Spielen auch. Wir sind eine Mannschaft, die Qualität hat. Wir wissen auch, dass einem in der Bundesliga nichts geschenkt wird. Die Mannschaft, die mehr investiert, wird meistens belohnt. Darüber hinaus haben wir individuelle Klasse, die manchmal ein Spiel entscheiden kann."
... was Trainer Pellegrino Matarazzo der Mannschaft gebe: "Unglaublich viel. Er sagt zu uns, dass man manchmal akzeptieren muss, wenn man das Spiel nicht durchbringt. Jedes Spiel verlangt etwas neues. Es liegt nicht in unserem Naturell, viele lange Bälle zu spielen. Manchmal müssen wir es aber einfach durchziehen. So war es heute in der ersten Halbzeit eine große Waffe."
Maximilian Beier (Torschütze TSG 1899 Hoffenheim) ... zu seiner Leistung: "Im Moment läuft es gut für mich. Die Mannschaft setzt mich gut in Szene und ich probiere, das meiste daraus zu machen."
... zu seiner Leihe nach Hannover: "Die Zeit tat mir sehr gut. Ich bin nach Hannover gegangen, um Spielpraxis zu sammeln. In zwei Jahren habe ich 70 Spiele gemacht und bin mit Erfahrung wieder nach Hoffenheim gekommen."
... zu einer möglichen Nominierung zur A-Nationalmannschaft: "Ich sehe mich eher noch bei der U21. Was kommt, das kommt. Ich bin für alle Aufgaben bereit."